Wie richtet man ein Computer-Netzwerk ein?
Referent: Hartwig Thomas
Die Frage, wie man ein Netzwerk einrichtet, wird oft von den falschen Leuten
beantwortet. Dies liegt daran, daß es sich um ein Problem zwischen den
beiden Welten der "Techies" und der "Humies" handelt.
Häufig entscheiden die "Techies" dabei über soziale
Fragen der Arbeits- und Lebensgestaltung, deren Gestaltung ihnen gar nicht
zukommt, während die "Humies" technologische Entscheide
fällen, deren Konsequenzen sie nicht genügend abschätzen
können. Meine Berechtigung, über dieses Thema zu reden, leite ich
daraus ab, daß ich in einem gewissen Sinne zwischen den beiden Welten
stehe.
Die Probleme mit der Netzwerk-Gestaltung stellen sich sowohl für lokale
Netze kleiner Arbeitsgruppen, für größere Netze
mittelständiger Firmen, als auch für geographische
weiträumige Intranetze von Großfirmen. Gewisse Komponenten des
guten Netzwerkdesigns sind zwar allen Netztypen gemeinsam. Im einzelnen
stellen sich aber ziemlich verschiedene Probleme.
Die folgenden Symptome der weitverbreiteten Probleme der Netzwerkeinrichtung
sind weit verbreitet: Die Einrichtung eines Netzwerks kostet für eine
Institution zehn- bis fünfzigmal mehr als für eine vergleichbare
Schwesterinstitution. Seit der Einführung des Netzwerks ist die
Freiheit der Gestaltung des eigenen Arbeitsablaufs derart
eingeschränkt, daß die Produktivität der Benutzer massiv
gesunken ist. Für den Unterhalt des Netzwerks werden weitaus mehr
Ressourcen benötigt, als durch abgeschaffte Prozeßabläufe,
die durch die Einführung des Netzwerks
überflüssig wurden, freigesetzt worden sind.
Die Netzadministration verselbständigt sich und gleicht weniger und weniger
einer internen Dienstleistung und mehr und mehr einer betriebsinternen
Diktatur.
Konkrete Beispiele für die Fallstricke im Zusammenhang mit der
Netzwerk-Einrichtung: Mainframe-/Terminal-Modell, und Versuche seines
Revivals unter dem Deckmantel der disklosen Workstation, dem X-Terminal und
dem Netzwerk-Computer, Client-/Server-Konzept als asymmetrische Aufhebung
der gleichberechtigten Peer-to-peer-Kommunikation des PC-Zeitalters am
Beispiel der europäischen Standardisierung von Bildschirmtext mit ein
paar Seitenblicken auf die entsprechende Entwicklung des jüngeren
Internet, Remote-Procedure-Call-Modell, Object-Request-Broker-Architektur
und ähnliche "transparente" Aufhebungen der Sichtbarkeit der
Lokalisierung der Ressourcen als Entwicklung zum auf mehreren Maschinen
verteilten Mainframe unter Verlust der personalisierbaren Verantwortung.
Das Schlamassel bei der Netzwerk-Einrichtung liegt darin, daß heute
Netzwerke eingerichtet werden, wie vor 1968 Programme geschrieben wurden.
Ein unentwirrbarer, nicht-modularer "Spaghetti-Code" verhenkt alle
Komponenten des Netzes mit allen anderen. Das resultierende Ungetüm hat
in Kürze eine thermodynamsiche Irreversibilität entwickelt, so
daß man sich selbst wenn man die begangenen Fehler eingesehen hat,
nicht mehr davon befreien kann.
Im Detail möchte ich nun die konkrete Realisierung einer
Netzwerk-Einrichtung in der kleinen Arbeitsgruppe beschreiben, da mir dieses
Beispiel am nächsten liegt und wohl auch unter den Zuhörern auf
das meiste Interesse stößt. Ich denke an Beispiele in einer
Abteilung eines Kunstmuseums, an eine Arbeitsgruppe für Rechte der
Fußgänger, an eine Anwaltskanzlei, an eine Software-Firma.
Grundsätzlich kann man mit jeder technischen Netzwerk-Lösung ein
gutes Netzwerk entwerfen. Die meisten Fragen des Netzwerk-Designs sind
unabhängig von der konkreten Wahl von Hardware, Protokollen und
Software. Trotzdem hat diese Wahl eine jeweils nicht zu unterschätzende
Auswirkung auf die Leichtigkeit eines guten Netzwerk-Designs. In der
folgenden Vorgehensskizze sind also solche technische und eher inhaltliche
Fragen und Entscheide gemischt. Man muß sich klar darüber sein,
daß im konkreten Fall jeweils auch anders vorgegangen werden kann.
Braucht es überhaupt ein Netzwerk? Schriftliches Festhalten der
Gründe und erwarteten Vorteile und Ableitung der Anforderungen an das
Netz. Ausschließlich zielorientierte Anforderungen sind zuzulassen,
bloße Wünschbarkeiten sind zu vermeiden. (Beispiel-Anforderungen)
Ein Plan der Netzwerk-Einrichtung muß geschrieben werden. In diesem
Plan muß besonders der Modularität des Netzes maximal Rechnung
getragen werden. Jeder unkontrollierte Wildwuchs muß vermieden werden.
Jeglicher Ansatz zur Irreversibilität muß unterdrückt
werden. Die reale menschliche Komponente des Betriebs des Netzwerks
muß bei diesem Plan im Zentrum stehen. (Beispiel-Plan) Bei der
Einrichtung des Netzes (wie übrigens auch beim Design großer
Programmsysteme) geht man am besten nach dem Prinzip des organischen
Wachstums vor. Teileinrichtungen und Teilservices müssen möglichst
unabhängig voneinander aufgebaut und eingeführt werden.
(Beispiel-Lösung für Mail-Service, für Internet-Gateway,
für interne Kommunikation, für Aufteilung, was auf den Server
kommt und was lokal bleibt, Beispiel für die zentrale
Prozeßdatenbank und die damit zusammenhängenden Fragen der
Verantwortung.) Beim Betrieb des Netzes schließlich muß der
Komponente der expliziten Verteilung der Verantwortung ein großes
Gewicht gegeben werden. Nicht "dumme" Benutzer sind bequem,
sondern gut informierte. (Beispiel der Erklärung des Netzwerk-Designs
für die Benutzer.)
Eine Diskussion der vorgebrachten, zum Teil etwas pointierten und sicher
nicht unumstrittenen Behauptungen würde von mir begrüßt.
Hartwig Thomas