Chaos Communication Congress '97
Hamburg, Eidelstedter Bürgerhaus, 27. - 29.12.1997
Chaos-Knoten

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Wie richtet man ein Computer-Netzwerk ein?

Referent: Hartwig Thomas


Die Frage, wie man ein Netzwerk einrichtet, wird oft von den falschen Leuten beantwortet. Dies liegt daran, daß es sich um ein Problem zwischen den beiden Welten der "Techies" und der "Humies" handelt. Häufig entscheiden die "Techies" dabei über soziale Fragen der Arbeits- und Lebensgestaltung, deren Gestaltung ihnen gar nicht zukommt, während die "Humies" technologische Entscheide fällen, deren Konsequenzen sie nicht genügend abschätzen können. Meine Berechtigung, über dieses Thema zu reden, leite ich daraus ab, daß ich in einem gewissen Sinne zwischen den beiden Welten stehe.

Die Probleme mit der Netzwerk-Gestaltung stellen sich sowohl für lokale Netze kleiner Arbeitsgruppen, für größere Netze mittelständiger Firmen, als auch für geographische weiträumige Intranetze von Großfirmen. Gewisse Komponenten des guten Netzwerkdesigns sind zwar allen Netztypen gemeinsam. Im einzelnen stellen sich aber ziemlich verschiedene Probleme.

Die folgenden Symptome der weitverbreiteten Probleme der Netzwerkeinrichtung sind weit verbreitet: Die Einrichtung eines Netzwerks kostet für eine Institution zehn- bis fünfzigmal mehr als für eine vergleichbare Schwesterinstitution. Seit der Einführung des Netzwerks ist die Freiheit der Gestaltung des eigenen Arbeitsablaufs derart eingeschränkt, daß die Produktivität der Benutzer massiv gesunken ist. Für den Unterhalt des Netzwerks werden weitaus mehr Ressourcen benötigt, als durch abgeschaffte Prozeßabläufe, die durch die Einführung des Netzwerks überflüssig wurden, freigesetzt worden sind. Die Netzadministration verselbständigt sich und gleicht weniger und weniger einer internen Dienstleistung und mehr und mehr einer betriebsinternen Diktatur.

Konkrete Beispiele für die Fallstricke im Zusammenhang mit der Netzwerk-Einrichtung: Mainframe-/Terminal-Modell, und Versuche seines Revivals unter dem Deckmantel der disklosen Workstation, dem X-Terminal und dem Netzwerk-Computer, Client-/Server-Konzept als asymmetrische Aufhebung der gleichberechtigten Peer-to-peer-Kommunikation des PC-Zeitalters am Beispiel der europäischen Standardisierung von Bildschirmtext mit ein paar Seitenblicken auf die entsprechende Entwicklung des jüngeren Internet, Remote-Procedure-Call-Modell, Object-Request-Broker-Architektur und ähnliche "transparente" Aufhebungen der Sichtbarkeit der Lokalisierung der Ressourcen als Entwicklung zum auf mehreren Maschinen verteilten Mainframe unter Verlust der personalisierbaren Verantwortung.

Das Schlamassel bei der Netzwerk-Einrichtung liegt darin, daß heute Netzwerke eingerichtet werden, wie vor 1968 Programme geschrieben wurden. Ein unentwirrbarer, nicht-modularer "Spaghetti-Code" verhenkt alle Komponenten des Netzes mit allen anderen. Das resultierende Ungetüm hat in Kürze eine thermodynamsiche Irreversibilität entwickelt, so daß man sich selbst wenn man die begangenen Fehler eingesehen hat, nicht mehr davon befreien kann.

Im Detail möchte ich nun die konkrete Realisierung einer Netzwerk-Einrichtung in der kleinen Arbeitsgruppe beschreiben, da mir dieses Beispiel am nächsten liegt und wohl auch unter den Zuhörern auf das meiste Interesse stößt. Ich denke an Beispiele in einer Abteilung eines Kunstmuseums, an eine Arbeitsgruppe für Rechte der Fußgänger, an eine Anwaltskanzlei, an eine Software-Firma.

Grundsätzlich kann man mit jeder technischen Netzwerk-Lösung ein gutes Netzwerk entwerfen. Die meisten Fragen des Netzwerk-Designs sind unabhängig von der konkreten Wahl von Hardware, Protokollen und Software. Trotzdem hat diese Wahl eine jeweils nicht zu unterschätzende Auswirkung auf die Leichtigkeit eines guten Netzwerk-Designs. In der folgenden Vorgehensskizze sind also solche technische und eher inhaltliche Fragen und Entscheide gemischt. Man muß sich klar darüber sein, daß im konkreten Fall jeweils auch anders vorgegangen werden kann.

Braucht es überhaupt ein Netzwerk? Schriftliches Festhalten der Gründe und erwarteten Vorteile und Ableitung der Anforderungen an das Netz. Ausschließlich zielorientierte Anforderungen sind zuzulassen, bloße Wünschbarkeiten sind zu vermeiden. (Beispiel-Anforderungen) Ein Plan der Netzwerk-Einrichtung muß geschrieben werden. In diesem Plan muß besonders der Modularität des Netzes maximal Rechnung getragen werden. Jeder unkontrollierte Wildwuchs muß vermieden werden. Jeglicher Ansatz zur Irreversibilität muß unterdrückt werden. Die reale menschliche Komponente des Betriebs des Netzwerks muß bei diesem Plan im Zentrum stehen. (Beispiel-Plan) Bei der Einrichtung des Netzes (wie übrigens auch beim Design großer Programmsysteme) geht man am besten nach dem Prinzip des organischen Wachstums vor. Teileinrichtungen und Teilservices müssen möglichst unabhängig voneinander aufgebaut und eingeführt werden. (Beispiel-Lösung für Mail-Service, für Internet-Gateway, für interne Kommunikation, für Aufteilung, was auf den Server kommt und was lokal bleibt, Beispiel für die zentrale Prozeßdatenbank und die damit zusammenhängenden Fragen der Verantwortung.) Beim Betrieb des Netzes schließlich muß der Komponente der expliziten Verteilung der Verantwortung ein großes Gewicht gegeben werden. Nicht "dumme" Benutzer sind bequem, sondern gut informierte. (Beispiel der Erklärung des Netzwerk-Designs für die Benutzer.)

Eine Diskussion der vorgebrachten, zum Teil etwas pointierten und sicher nicht unumstrittenen Behauptungen würde von mir begrüßt.

Hartwig Thomas



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