Von der Kommunikations- zur Informationsgesellschaft:
Dummheit in Netzen
Teil 14: "Keine Bewegung"
Referent: padeluun
Alle Jahre wieder wacht padeluun in einem Workshopraum auf und spricht
über dumme Sachen. Und wie jedes Jahr sitzen da Leute, die der festen
Meinung sind, sie machen gar keine dummen Sachen. Am Ende haben alle
recht.
Zusammenfassend gesagt: Die Retrospektive über die Alpträume der
Electrosphäre war harmloser als in den letzten Jahren; Ideen und Mittel
für konstruktive Technikentwicklung sind gefunden, es muß aber
weniger gejammert und mehr umgesetzt werden.
Nach dem Internet-Hype schämt sich padeluun, sich als Mailboxbetreiber
zu outen. Als "Systembetreiber" spart er sich Häme und
Daseinsberechtigungsdeklaration im Sysadmin-Environment. Die Standleitung
ersetzt im Denken das Kommunikationsnetzwerk, die lebendige Online-Community
taucht im Denken der IP-Persönlichkeiten selten auf.
Auf einem Telekom-Servicewagen prangt inzwischen "Kommunikation
verbindet - Freundschaft vereint". Diese Grundhaltung ist inzwischen
bei PR-Agentur und Vorstand verbreitet, CCC-Thesen der letzten Jahre tauchen
immer öfter in der "realen" Welt auf.
Was davon zu halten ist, sei dahingestellt. Als Chaos-Computer-Club,
-Communication-Congress und -Szene ist der Schritt vom Meckern
zum Ändern nicht getan worden. Trotz Pesthörnchen gegen den Gilb
und Teufel gegen Telekom mußten erst Service-Training-Center und
business reengineering für besseren Service von Telekom-Hotlines
sorgen.
Wäre schön gewesen, wenn das vor 10 Jahren bereits passiert
wäre. Klar, die Leidensfähigkeit der betroffenen Bevölkerung
war damals höher und jede/r Aufrechte ein Terrorist. Die Probleme waren
aber richtig im Kern erkannt, Phantasie und Aktionen sammelten sich ums
Meckern.
Klammheimlich migrierten Chaos-Ideen und -Forderungen in den Alltag. Diverse
RFCs, die Erfindung der Telefon-Hotline, die Erfindung der Mailbox haben
gerade auf dem Congress tiefe Wurzeln. Diese Lichter stehen heute noch
unterm Scheffel und kommen dort wohl auch nie mehr raus. So geht es auch
vielen Menschen aus der Szene hier, sie leben nicht das Leben, das sie sich
wünschen, und haben Haltungen eingenommen, die ihren Interessen
widerstreben.
Abseits von "Fremdsteuerung" und "Illuminaten-Paranoia"
existiert das Problem, seine Visionen endlich einmal zu verwirklichen. Geld
kann dabei sicherlich nicht das Ziel sein, sondern eher: Arbeiten um zu
leben.
Chaos-Leute jonglieren heute zwischen Spiegel-Anfragen und
Netnite-Interviews. Vom anfänglichen Interesse der
Produktionsgesellschaften, man hätte ja viel gemeinsam als
"Hacker" mit weltaufklärerischer Intention, bleibt bei der
Abrechnung der schale Nachgeschmack, nur als Figur aus der Szene vorgeführt
worden zu sein.
"Wellen kann man reiten, nicht lenken" (Bismarck)
und
enden sie immer am Strand?
Das Internet ist ein tolles Recherchemedium mit vielen ruhenden
Informationen. Erst Aktivität schafft Bewegung.
Neben "Bayrischer Hackerpost" und "Datenschleuder"
existierte Peter Glasers "Labor", damals verpönt durch
geringere Technikzentrierung und zeitaufwendiges Layout. "Konr@d"
kann als direkter Nachfolger gesehen werden, Kritik hin oder her, die
Selbstbekenntnis, ein buntes Heft zu machen, ist in der Nullnummer
abgedruckt, wenn die Chaos-Themen hier massenkompatibel werden, kann es nur
besser werden.
Auf dem Kongreß kennt jeder zehnte mindestens fünf
Bundestagsabgeordnete - hier ist eine riesige Machtkonzentration. Trotz
allem existiert ein Phänomen im Netz: Die Hemmung der User, sich um
ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Dabei geht es nicht mal um
Eigenaktivität, als Jürgen Tauss (MdB SPD) um eine Zusammenfassung
der Forderungen aus einer Newsgroup bat, passierte wochenlang nichts -
außer das weiter über die Forderungen diskutiert wurde. Das
zweistündige Thesensammeln für eine Anhörung zum TKG im
Bundestag wurden nicht realisiert.
So ist der Wandel der "Kommuikationsgesellschaft" zur
"Informationsgesellschaft" ein Bild dieser Quasselnetze, jede/r
redet mit, keine/r mehr miteinander.
Mo Hataj
Ankuendigung