ChaosComputerClub e.V. Hamburg / FoeBuD e.V. Bielefeld
Studentenleben digital
Netzzugänge an deutschen Unis
Nicht nur Informatik-Studenten interessieren sich für Internet-Zugänge.
Auch andere Fachbereiche verwenden inzwischen das digitale Tor zur Welt
- manchmal auch gegen den Widerstand der Rechenzentren.
Oft hat man als Student das Gefühl, dumm bleiben zu sollen. Den
Informatik-Studenten, die sich direkt mit Computern und deren Vernetzung
beschäftigen, wird dieser Zugang manchmal gezielt verwehrt.
In dieser Sitzung kamen hauptsächlich die Zuhörer zu Wort, ihre eigenen
Erfahrungen mit den Rechenzentren der Unis vorzubringen.
Universität Hamburg
Am Uni-RZ gibt es Unix-Accounts nach Bestätigung der
Notwendigkeit durch einen Prof des Fachbereiches. Das Formular
ist recht kompliziert, allerdings ist die Benutzerberatung im
allgemeinen hilfsbereit und freundlich. Problematisch ist oft
eher, unwissende Profs von der Notwendigkeit ihrer Unterschrift
zu überzeugen. Modemzugang kann zusätzlich beantragt werden
und wird unter Formulareinsatz ohne Probleme gewährt. Nutzung
des Internet ist auch per SLIP/PPP möglich. Zur Zeit stehen
acht Leitungen im Behördennetz zur Verfügung, Telekomleitungen
und ISDN für Studis sind in Aussicht. Ausgeschlossen von der
Modemnutzung sind Fachbereiche, die eigene Modempools
unterhalten, somit auch die Informatik, in der die Zugänge
wesentlich restriktiver gehandhabt werden. Die Informatik
gewährt IP-Zugriff ausserhalb des Hamburger Netzes nur von
speziellen "Projektaccounts" aus; Modemzugang ist nur für
Mitarbeiter oder per (seltener) Ausnahmeregelung möglich.
Die Sysops geben offen zu, daß die Studenten dumm gehalten
werden sollen. Zitat: "Nur die Informatik-Studenten wissen ja
genau, was sie mit vollem Zugriff machen können. Bei anderen
Studenten ist die Gefahr nicht so groß." CIP-Pools stehen in
den Fachbereichen Physik, Chemie, Mathematik, Pädagogik und
Informatik mit ausreichenden Kapazitäten zur Verfügung.
Technische Universität Hamburg-Harburg
Jedem Studenten und Mitarbeiter (z.B. als HiWi) wird voller IP-Zugang
gewährt. Modemzugang besteht auf fünf Telefonleitungen, deren Qualität
allerdings eine Katastrophe ist - die Telekom bekommt dort ihre Probleme
seit Jahren nicht in den Griff.
Universität Düsseldorf
Laut Senatsbeschluß kann jeder Student das Rechenzentrum nutzen. Leider weiß
nur kein zuständiger Mitarbeiter des Rechenzentrum etwas von dieser Regelung.
Zitat eines Mitarbeiters: "Auf UNIX-Maschinen gibt es kein UUCP."
Technische Universität Berlin
Jeder Student hat ein Anrecht auf einen Account im Rechenzentrum und auf
Zugang zum Modempool. Es stehen 20 Modem-Leitungen zur Verfügung, von
denen 15 Leitungen für Studenten zugänglich sind. 50-60 Workstations
stehen sogar nachts für Studenten zur Verfügung, es existiert ein
ISDN-IP-Zugang. Als fragwürdiger Geheimtip gelten die beiden immer
freien Ports 19 und 20, die mit 1200 und 300 Baud-Modems gefahren
werden.
Fachhochschule Berlin
Zugang zum Rechenzentrum erhält hier ebenfalls jeder Student. Es existieren
zwei Modems, wobei IP sehr beschränkt zugänglich ist. Mehr als Gopher und WWW
ist nicht erreichbar.
Universität Regensburg
Modemleitungen werden hier nicht angeboten. Erstsemester kommen nur schwer
und mit Hilfe von Tips ihrer älteren Kommilitonen überhaupt an die
UNIX-Maschinen. Ansonsten steht den Studenten ein CIP-Pool mit Zugängen auf
Mosaic, Gopher, eMail und Netnews zur Verfügung, wobei nur Newsgroups der
Regensburger Region angeboten werden. Für den Antrag ist eine Unterschrift
des fast immer ahnungslosen Professors nötig.
Universität Leipzig
Alle Studenten können einen eMail-Account beantragen. Zwei Modem-Zugänge
bestehen mit einem 2400er und einem 9600er-Modem. ISDN-Leitungen seien
in Planung.
Universität Fortwangen
Neben einem CIP-Pool mit eMail-Zugang für alle Studenten gibt es einen
Modem-Zugang auf zwei Leitungen für alle Informatiker.
Universität Köln
Hier wird ebenfalls jedem Studenten ein voller UNIX-Zugang gewährt. Die
wenigen Modem-Zugänge sind hoffnungslos überlastet.
Technische Universität Clausthal
Über einen schriftlichen Benutzerantrag kann zumindest jeder
Informatikstudent auf die Rechner des Rechenzentrums zugreifen und die
Dienste FTP, Telnet und UUCP-Dienste in Anspruch nehmen. Tip: auf dem
Benutzerantrag muß ein Projektname angegeben werden; erfahrungsgemäß gibt es
bei dem Pseudo-Projekt "Beschäftigung mit Internet" keine Schwierigkeiten.
Universität Leipzig
Es existieren für die Studenten 12 Modem-Leitungen.
Universität Stuttgart
Für jeden Informatikstudenten wird ein Account angeboten. Alleine im
Grundstudiums-CIP-Pool gibt es 60 Arbeitsplätze. Modemzugang auf acht
Leitungen (davon 4 ISDN) ist für alle ohne bürokratische Hürden möglich. Es
existiert eine "Arbeitsgruppe Computer", die studentennah 20 CIP-Pools an den
verschiedenen Fakultäten unterhält. Zwei zentrale CIP-Pools sind für alle
Studenten zugänglich. Insgesamt gibt es 1200 aktive Accounts. 1500-2000
Studenten haben lediglich einen Mail- und News-Account. Geplant sind 30
weitere ISDN-B-Kanäle für die Studenten.
Doch was tun, wenn man als Student nicht zu einem Account kommt?
- Man informiere sich über die Rechtslage im jeweiligen Bundesland. In
Nordrhein-Westfalen z.B. hat jeder Student Anrecht auf einen Account.
- Es gibt sog. IN-Domains, in denen sich jeder für 30-70 DM/Monat ins
Internet einklinken kann. Leider bieten nicht alle IN-Domains IP an.
- Außerdem gibt es unzählige kommerzielle IP-Provider, die sich aber der
normalsterbliche Student kaum leisten kann.
Als Nicht-Student hat man sonst praktisch keine Möglichkeit auf einen Zugang.
Universitäten zahlen pauschal für die Internet-Leitungen, die Studenten haben
also praktisch dafür mitgezahlt. In Baden-Württemberg gibt es wenige Schulen,
die einen eigenen IP-Zugang mit relativ geringer Leistung unterhalten.
Wer als normalsterblicher Nicht-Student Interesse am Internet hat, sollte
sich auf das Usenet beschränken. Das Usenet ist der informell-kommunikative
Teil des Internets, auf dem News und Mail weitergegeben werden. Einige
Hobby-Mailboxen bieten bereits diese Usenet-(UUCP-)Dienste an.
Abschließend kann man feststellen, daß das Interesse am Internet stark
zugenommen hat. Auch Studenten, die nicht Informatik studieren, zeigen
mehr und mehr Interesse am Tor zur Welt.
Christoph Haas <signum@torfhh.hanse.de>
Stefan Kurtz,06.Jul.1995